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Mobbing oder "die Heilung von Seelenverletzungen"

Als ich ins Gymnasium gekommen bin, war das Wort Mobbing nicht verbreitet. „Verorscht“ konnte man werden. Ich war emotional noch sehr kindlich, mir war Kleidung egal, ich war unsicher und eine stille Beobachterin. Als dann bald die Levi´s 501, Rollkragenpullover und sowas „in“ wurden, habe ich das anfangs gar nicht gemerkt. Mit der Zeit hab ich dann beobachtet, dass es anscheinend sehr wichtig ist, cool zu sein und sich cool anzuziehen. Da ist ein Drang in mir erwacht und ich wollte so gerne dazu gehören und habe es auch über die coole Kleidung und die Art: „mir ist alles egal, ich bin cool“ versucht. Tja, ich nehme es vorweg: ich habe nie zu den coolen gehört.

 

Ich bin jahrelang aufs schlimmste fertig gemacht worden und hatte jeden Tag Angst in die Schule zu gehen. Ich war immer froh, wenn ich krank war, denn ich konnte zuhause nicht davon erzählen. Ich habe gehört, dass ich wie ein Monster aussehe, egal ob ich mich schminke oder nicht. Unzählige Male hat die halbe Klasse Schweinchen Geräusche gemacht, wenn ich vorbei gegangen bin. Ich habe gehört, dass ich blad bin und mich nie jemand wollen wird. Ich habe einen Böller in meine Kapuze geworfen bekommen. Ich habe sogar in den Ferien Postkarten mit Scherzen nachhause geschickt bekommen.

 

Diese Situationen tauchen auch heute noch manchmal auf, plötzlich sind sie da, in meinem Kopf, in meinem System.

In meine erste Arbeit nach der Schule bin ich mit der Erwartungshaltung gegangen, dass es dort so weitergehen würde; dass ich wieder das Opfer sein würde. Ich war sehr überrascht, wie freundlich alle zu mir waren. Trotzdem habe ich nach einigen Wochen angefangen, mich über mich selbst lustig zu machen, witzige Späße über mich und andere zu reißen und auf diese Art vorzubeugen. Im Nachhinein sehe ich, dass ich das aus der Angst heraus gemacht habe, dass es doch noch passieren könnte, „wenn sie herausfinden wie ich wirklich bin“ – denn so hatte ich es verinnerlicht.

 

Diese Erfahrungen sind eines der Themen über die ich erst nach meiner letzten Therapie begonnen habe zu sprechen, so sehr habe ich mich dafür geschämt. Nur: ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich bin nicht schuld, weil ich „dazugehören“ wollte. Ich bin nicht schuld, weil ich ruhig und schüchtern war. Ich habe das, was mir passiert ist, nicht verdient. Diese Erfahrungen sind eines der wenigen Dinge, die ich eindeutig zur Entstehung meiner Essstörung zuordnen kann.

 

Es ist nur leider oft so, wenn wir gar nicht über die Dinge sprechen, für die wir uns so sehr schämen dann werden sie innerlich immer größer. Ich habe dieses Thema im wahrsten Sinne des Wortes in mich hineingefressen. Ich weiß nicht, ob ich es jemals ganz vergessen kann, aber es beeinträchtigt mein aktuelles Leben nicht mehr und ich glaube, dass ist es worum es geht. Und darüber sprechen hilft, mit ausgesuchten Menschen natürlich! Wenn man die schlimmen Momente seines Lebens teilt, nimmt man ihnen einen Teil des Schreckens – das ist zumindest meine Erfahrung!

 

 

Wie war deine Schulzeit? Bist du gemobbt worden oder warst du auf der anderen Seite? Oder gab es das an deiner Schule gar nicht?

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