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War mein Leben schlimm genug, um eine Essstörung zu rechtfertigen?

Das mag auf den ersten Blick eine irritierende Frage sein, ist aber etwas, das mich lange beschäftigt hat und wegen dem ich mich immer irgendwie schuldig gefühlt habe. Vor allem in der Gruppentherapie oder wenn ich jemanden kennengelernt habe mit einer „richtig schlimmen“ Vergangenheit, dann hab ich mich richtig mies gefühlt und versucht eine Erklärung dafür zu finden, warum ich so mit dem Leben (und dem Essen) kämpfe.

 

In meinem Leben gab es ein sicheres Zuhause, Liebe, beide Elternteile, keine Gewalt. Und ja, es gab auch keine Redekultur, starken Leistungsdruck, starre Rollen, ewiges Diätverhalten meiner Mutter, Mobbing an der Schule. Das hat für mich selbst lange Zeit nicht als Grund „ausgereicht“. Dafür, 20 Jahre Bulimie zu haben. Dafür, mich selbst zu hassen, dafür, dass ich mein Leben lang das Gefühl hatte, keine Liebe zu verdienen.

 

Ich hoffe, ich tue damit niemandem weh, aber es gab eine Zeit, da hab ich mir gewünscht, ich finde etwas richtig Schlimmes heraus, einfach, dass ich eine Erklärung für die Krankheit habe. Und dafür hab ich mich dann noch mehr geschämt. Zusätzlich dazu, krank zu sein, noch Scham dafür zu empfinden, es zu sein, das war mein kleiner Teufelskreis.

 

Ich habe mit den Jahren viele, kleine Puzzle Stücke gefunden, viel verändern können und ich konnte die Bulimie ausheilen, und ich weiß, dass die Frage, wieso gerade bei mir, mich nicht weiterbringt, in meinem Hinterkopf taucht sie hin und wieder noch auf.

 

 

Wenn es dir ähnlich gehen sollte und du das kennst – viele Dinge passieren auf Ebenen, die wir nicht bewusst erfassen können und die uns dennoch stark prägen können. Wenn du krank bist, dann hast du jede Hilfe verdient, egal wie „perfekt“ dein Leben wirken mag! Du bist es wert!

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