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Gefangen in Restriktionen und Illusionen – wie sich eine Essstörung anfühlen kann

Wenn ich dieses Stück Kuchen jetzt noch esse, dann verzichte ich entweder aufs Abendessen oder ich trainiere heute nochmal, obwohl ich in der Früh schon Sport gemacht habe. Oder lieber beides, wer weiß, was in dem Kuchen alles drin war, der war ja bestimmt mit normalem Zucker, den wollte ich ja eigentlich gar nicht mehr essen. Oh, verdammt, jetzt fragt mich eine Freundin, ob ich mich heute Abend treffen will. Lust hätte ich ja, aber ich habe ja jetzt gerade Kuchen gegessen und sogar Sekt getrunken und da wäre es wirklich wichtig, abends noch Sport zu machen. Kann ich ihr das sagen? Nein, denn dann ist sie vielleicht böse auf mich, weil mir Sport wichtiger ist als sie oder sie findet mich fad…das geht nicht. Und wenn ich beides mache, zuerst Sport und dann mit ihr treffe, das wird halt dann ganz schön viel. Ja, so müsste es gehen, ich halte das schon aus. Oder fällt mir eine Ausrede ein, mit der ich absagen könnte? Hab ich ihr jetzt schon oft abgesagt? Ich kann ja sagen, ich habe schon was vor oder dass ich mich kränklich fühle. Ja, das geht, dann habe ich auch Zeit für Sport. Hoffentlich wird mir heute nichts mehr angeboten im Büro. Ich könnte ja statt der Straßenbahn mit der U Bahn fahren, dann komme ich nämlich nicht bei der Bäckerei vorbei, weil da riecht es immer so gut, da könnte ich ja dann wieder schwach werden. Will ich überhaupt noch Sport machen? Nein, aber es muss sein, ich kann ja zumindest eine halbe Stunde dieses eine Training machen. Ich fühl mich grad so elendiglich, ich schaff es nicht, ich brauch unbedingt was zu essen. Naja, ich könnte mir ja per Lieferservice was bestellen und gleich mehr, damit ich für die nächsten Tage auch noch was habe, sonst muss ich ja Liefergebühr zahlen. Oh Mann, jetzt ist mir richtig schlecht und ich schäme mich so, dass ich alle 3 Portionen und die Nachspeise gegessen habe, und zusätzlich alles Mögliche, was noch da war, als ich auf die Lieferung gewartet habe. Was, wenn ich jetzt zunehme, das halte ich nicht aus und ich nehme bestimmt zu, erst der Kuchen und der Sekt extra und jetzt auch noch das alles. Da werden sich morgen in der Arbeit alle denken, was ich nur für eine undisziplinierte Person bin wenn die Hose enger sitzt. Wahrscheinlich haben sie sich heute schon was gedacht, als ich so viel Kuchen gegessen habe. Oder vielleicht sogar schlecht über mich geredet? Ich bin mir sicher, dass mich 2 Kolleg*innen komisch angeschaut haben. Nein, ich muss es loswerden, was stimmt denn nicht mit mir? Ich hasse mich, wie kann man nur so sein? In Zukunft da esse ich gleich von vornherein nicht so viel. Wieso verdammt, habe nur ich keine Disziplin, was stimmt nur nicht mit mir? Warum bin ich nicht in der Lage, mich an die einfachsten Vorgaben zu halten….so werde ich nie den Körper haben, den ich haben will. Ab morgen mache ich es anders, ich weiß, dass ich es kann, ich muss mich nur mehr bemühen. Ich brauche diesen Körper, weil ich so gerne eine schöne Beziehung hätte. Und damit ich endlich das schöne Gewand anziehen kann, dass ich mir in der Größe gekauft habe, die ich erreichen will. Warum reicht das nicht als Motivation? Warum kann ich das nicht? Ich könnte mir ja Bilder von Frauen an den Kühlschrank hängen, die die Figur haben, die ich gerne hätte. Und mir einen Plan machen, was ich ab jetzt wirklich nicht mehr esse. Und am besten noch einen Sportplan, ohne geht es anscheinend nicht….

Das war ein Beispiel Tag aus meinem Leben mit Bulimie, so war es bei mir jahrelang 24/7, dieser Stress, es gab nur eine Möglichkeit, den Druck wieder loszuwerden – willkommen im Teufelskreis.

 

Ich bin dankbar, weil ich aus diesem Kreis aussteigen konnte und weiß, dass es möglich ist. Glaub an dich, nicht an Statistiken! Ich tue es!

 

 

So schwer es anfangs ist, nutze Rückschläge, um dich besser kennenzulernen. Erkenne deine Bedürfnisse und nimm sie und damit dich ernst!

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